Manfred M.
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Wer den sagenumwobenen
Drachenfels bezwingen möchte,
kann dies auf zweierlei Art und
Weise erproben: Entweder sich von
Königswinter aus bequem mit der
Zahnradbahn im Schneckentempo
auf den Gipfel chauvieren lassen,
oder ihn per pedes zu erklimmen.
Start der Fußwanderung ist der
Königswinterer Bahnhof, den man
in Richtung City gehend verläßt,
nach wenigen Metern links den
Bahnübergang queren und geradeaus
den Hinweisschildern folgend, ins
Nachtigallental eintaucht. Das
romantisch anmutende Tal als
Aufstiegsvariante zum Drachenfels
wäre dem stark frequentierten
Touristenpfad "Eselsweg" vorzu-
ziehen.
Nach ungefähr 200 m gabelt sich
der breite Wanderweg in 2 von-
einander unabhängige Richtungen:
Rechts gehend betreten wir das
feuchte, vom "Mennesbach"
gesäumte und schattigen Buchen-
wäldern begleitete, nun schlucht-
artig verengte Nachtigallental.
In unmittelbarer Nachbarschaft
zwängt sich der linksseitig parallel
geführte Weg direkt durch die
sogenannte "HÖLLE", einem steilen,
von mächtigen Tuffsteinwänden
flankierten Hohlweg (sprachlich
leitet sich Hölle von "hohl" ab!), der
nach ca. 300 m auf die asphaltierte
Versorgungsstraße zur Hirschburg
(gegenwärtiger Sitz des Medien-
konzerns "Vodafone", der hier eine
Fortbildungs- und Begegnungsstätte
unterhält) und zum Drachenfels
führt.
Tuffe befinden sich im gesamten
Siebengebirgsraum. Es handelt
sich dabei um homogenisierte,
verfestigte Aschen, die in der Region
während der Hauptphase des
Tertiär-Vulkanismus vor ca. 24 Mio.
Jahren gefördert wurden. Da die
aus dem Erdinnern aufgestiegene
flüssige Lava (Basalt, Trachyt, Latit)
nicht in die Atmosphäre geschleu-
dert wurde, sondern in den zuvor
aufgeschütteten Tuffen der Vulkan-
Eruptionen stecken blieben und
dort erkalteten, spricht man in diesem Zusammenhang auch vom
"Subvulkanismus" des Sieben-
gebirges.
Der Siebengebirgstuff ist ein
Werkstoff, der zur Produktion des
heimischen Backofenbaus un-
erläßlich war. Bereits im 14. Jh.
bauten die Burggrafen vom
Drachenfels im Siebengebirge
Tuffe als Ofensteine ab u. nährten
so die Tradition vom Mittelalter
ausgehend bis in die Neuzeit hinein.
Das Backofenbau-Gewerbe prägte
über Jahrzehnte die traditionelle
Königswinterer Backofenbauer-
Zunft der Gegenwart u. entwickelte
so zu einem bedeutenden Wirt-
schaftszweig der Region
Doch nur an wenigen Stellen wie den
sogenannten "Ofenkaulen" ist die
Qualität der Tuffe so homogen und
von so hoher Güte, dass Ofenplatten
daraus gebrochen werden konnten.
Die Ofenkaulen sind ein Stollen-
system (Bergbau) rund 2 km östlich
von diesem Standort.
Die tief in die Tufflandschaft des
Siebengebirges V-artig einge-
schnittenen "Kerbtäler" , die
sogenannten "Siefen" (richtigerweise
müßte das Gebirge Siefengebirge
heißen; die Zahl "7" ist ein mytho-
logischer Hinweis und keine
Abbildung der Realität), dienten
überwiegend als Transportwege,
der ins Tal zu fördernden hitze-
beständigen Ofenplatten aus den
Ofenkaulen zur Weiterverarbeitung
für den Königswinterer Qualitäts-
ofenbau.
Im Nachtigallental nutzten im 19.Jh.
Winzer in den Berg eingehauene
Höhlen als Kühlkeller. Auf Karren
fuhren sie ihre Weinfässer zum
Lagern dorthin. An der Wegkreuzung
im unteren Talbereich erinnert ein
Altartisch an eine Feier des Jahres
1925. In diesem Jahr feierten viele
rheinische Städte die Zugehörigkeit
des Rheinlandes zum Deutschen
Reich - als patriotische Demonstra-
tion gegen französische Ansprüche nach dem Ersten Weltkrieg. Den
Auftakt der Königswinterer Feiern
bildete ein Waldgottesdienst an
diesem Altar.
Enge und feuchte Täler wie das
Nachtigallental bieten seltenen
Tier- und Pflanzenarten, etwa
Feuersalamander und Hirschzungen
farn einen geschützten Lebensraum.
Den seltenen und gefährdeten
Hirschzungenfarn treffen wir auf
unserer beschaulichen Wanderung
durch das Tal auf Schritt und Tritt.
Die noch ansehnlich wachsenden
Pflanzenbestände an den Talflanken
werden immer öfter unsere Blicke
auf sich ziehen.
Die Tallandschaft wie sie sich momentan optisch darstellt, hat
viel von ihrer ursprünglichen Gestalt
und ihrem Charme eingebüßt.